Boris und die Software des Grauens

Finstere Wolken zogen schnell am blutroten Vollmond vorbei, der mit seinem diffusen Licht unheimliche Schattenkreaturen auf den nasskalten Boden zeichnete, die den kahlen verkrüppelten Bäumen entlang der alten Allee entsprangen. Boris fröstelte und beeilte sich. Seit er für diese Firma arbeitete, hatte er nur diesen einen Gedanken im Kopf, der ihn umtrieb und Nacht für Nacht um seinen Schlaf brachte. Er musste es riskieren, er musste seinem grauenvollen Peiniger gegenübertreten. Es ging um seinen Seelenfrieden, es ging um das Wohl seiner Kollegen. Es ging um das nackte Überleben dieser Firma. In der Ferne heulte ein Hund sein schauerliches Klagelied. „Ich weiß genau, was Du fühlst, mein Freund“, dachte Boris bitter. Niemand hört Dich, niemand schert sich um Deine Sorgen und sieht die Bedrohung, die alle umgibt. Doch warum will es keiner sehen, warum schauen alle weg? Boris musste es alleine wagen und seinen finsteren Plan durchziehen, auf Unterstützung konnte er nun nicht mehr hoffen.

Der feine Kiesel knirschte laut unter seinen Füßen, als er in den Hof seiner Firma einbog. Rasch bediente Boris die Stechuhr am Eingangsportal und fuhr mit dem Aufzug in den Keller. Sein Herz klopfte jetzt rasend schnell, Schweiß trat auf seine Stirn als er den Gang mit den ewig flackernden Röhrenlichtern zu seinem Labor beschritt. Er schloss die schwere quietschende Eisentür auf. Mit mulmigem Gefühl betrat Boris das Reich seines Schaffens.

Leblos flackerte der überalterte und entstellte Quellcode der Softwareanwendung im Schein der Kerzen auf dem Bildschirm seines chaotischen Schreibtischs. Boris traute der Anwendung nicht eine Sekunde über den Weg. Zu oft sorgte sie in der Vergangenheit für Angst und Schrecken in der Belegschaft, tötete mit grausiger Kälte gut gemeinte Prozesse, terrorisierte die Bemühungen um effizientes Schaffen und traf Boris Kollegen bis ins Mark, wenn dieses Höllenwerk einer Anwendung sich mit all ihren fürchterlich entstellten Codeschnipseln und vernarbten Masken durch den  Arbeitsalltag dieser Firma meuchelte.

„Heute werde ich Dich vernichten und nach meinen Vorstellungen neu erschaffen! Endlich ist das Ende der Leidenszeit gekommen. Die Firma soll frei sein von den Fesseln, die Du uns auferlegst“, schwörte Boris hasserfüllt in den Raum hinein. Der blanke Wahnsinn in seiner Stimme hallte von den Wänden. Die alte Softwareanwendung beäugte ihn boshaft und antwortete mit einem grauenvoll spöttischen Gelächter über die Lautsprecher seines Computers. Wild entschlossen ergriff Boris die Tastatur und begann zu tippen. In seinem Wahn bemerkte er fatalerweise nicht die grauenvolle Gefahr, die sich hinter seinem Rücken langsam aus dem halb geöffneten Serverraum anschlich….

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